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Modernisierung: Liechtensteiner Konkursordnung wird Insolvenzordnung

Was seit 1973 auf Zerschlagung und Verwertung ausgerichtet war (Konkursverfahren) ist seit 1. Januar 2021 auf Sanierung und Neuausrichtung (Insolvenzverfahren) ausgerichtet. Aus K.O. (Konkursordnung) wird I.O. (Insolvenzordnung), nomen est omen

Der Kern des alten liechtensteinischen Insolvenzrechts war das Konkursverfahren, das von seiner Natur her ein „Zerschlagungsrecht“ ist. Denn die Insolvenz bedeutete für Unternehmen in der Regel das „Aus“. Zwar sah das Gesetz betreffend den Nachlassvertrag gewisse Sanierungsinstrumentarien vor, allerdings hattendiese in der Praxis kaum Bedeutung, da die entsprechenden Voraussetzungen meist zu hoch waren. Dieser tote Buchstabe wurde nun mit Leben gefüllt. 1)

Für Unternehmen gibt es nun «eine reelle Chance, sich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu sanieren»2). Um dem Stigma des Konkurses zu entgehen, hat der Schuldner die Möglichkeit, bereits vor der Eröffnung eines Verfahrens einen Sanierungsplan vorzulegen. In diesem Fall wird das Insolvenzverfahren „Sanierungsverfahren“ genannt. Liegt eine solche Vorarbeit nicht vor, läuft das Verfahren unter der Bezeichnung „Konkursverfahren“. Allerdings wird auch im Konkursverfahren die Sanierung gefördert, indem dem Schuldner ein Weg zu einem Sanierungsplan aufgezeigt wird. 

Für Privatpersonen ist das Insolvenzverfahren ab dem 1. Januar 2022 vorgesehen. Art. 128ff. IO sowie Art. 6 Abs. 3 bis 5 IO sind enstprechend in den Übergangsbestimmungen geregelt (vgl. unten LGBl 2020 Nr. 365). 

Schwerpunkte und die Neuerungen der Gesetzesform3)

  • Das Sanierungsverfahren und Konkursverfahren werden terminologisch unter dem Überbegriff „Insolvenzverfahren“ zusammengefasst. Folglich wird die Terminologie im Gesetz entsprechend angepasst (z.B. „Konkursverfahren“ wird zu „Insolvenzverfahren, „Konkursmasse“ zu „Insolvenzmasse“, „Konkursgläubiger“ zu „Insolvenzgläubiger“, …).
  • Die Sanierung des Unternehmens setzt selbstredend dessen Fortführung voraus. Wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist, wird künftig ausdrücklich der Fortführung des Unternehmens der Vorrang gegenüber der Zerschlagung eingeräumt. Die von den Gläubigern anzubietende Mindestquote soll hierfür von 40 % auf 20 % herabgesetzt werden. Zudem soll die Annahme des Sanierungsplanes deutlich erleichtert werden, indem das Zustimmungserfordernis von derzeit zwei Drittel auf die einfache Mehrheit reduziert wird. Weiters soll für gesicherte Gläubiger eine Sperrfrist von sechs Monaten für die Geltendmachung von Absonderungsansprüchen eingeführt werden.
  • Um die Fortführung durch einen Sanierungsplan nicht dadurch zu gefährden, dass Gläubiger aufgrund Verzuges des Schuldners die Verträge kündigen und dadurch die Sanierung verhindern, soll entsprechend dem „UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law“ das ordentliche Kündigungsrecht und das Rücktrittsrecht der Vertragspartner ausgeschlossen werden.
  • Das Insolvenzverfahren wird entweder als „Konkursverfahren“ durchgeführt, sofern bei Eröffnung des Verfahrens kein Sanierungsplan vorliegt oder aber als „Sanierungsverfahren“ für den Fall der Vorlage eines Sanierungsplans noch vor Eröffnung, wobei auch eine besondere Variante des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung eingeführt werden soll. Bei der neuen Sanierung durch Eigenverwaltung für Unternehmen, die ohne eigenes Verschulden in die Insolvenz hineingeschlittert sind, bestehen höhere Risiken als bei der Sanierung durch Fremdverwaltung. Deshalb bedarf es eines entsprechenden Finanzplans und einer Mindestquote von 20 %.
  • Die aktuell bestehenden vier Konkursklassen werden - nach internationalen Leitbildern folgend - abgeschafft und wird die Grenze zwischen Masse- und Insolvenzforderung neu definiert.
  • Um die Mitwirkungsmöglichkeiten der Gläubiger zu stärken, soll ein Gläubigerausschuss vorgesehen werden, welcher das Gericht und den Insolvenzverwalter entlasten soll.
  • Der Abschluss eines Sanierungsplanes für Privatpersonen soll künftig durch flexiblere Bestimmungen erleichtert und eine Zahlungshöchstfrist von bis zu fünf Jahren vorgesehen werden. Eine Mindestquote von 20 % soll dennoch notwendig sein. Die Gläubiger werden über die Annahme des Sanierungsplanes entscheiden. Sollte der Inhalt des Sanierungsplanes nicht erreicht werden können, kommt ein Zahlungsplan ohne zahlenmässige Mindestquote in Betracht. Als Bemessungszeitraum gelten die folgenden fünf Jahre. Die Zahlungsfrist kann kürzer oder länger sein, maximal aber sieben Jahre. Auch hier werden die Gläubiger über die Annahme des Zahlungsplanes entscheiden. Schliesslich soll das Abschöpfungsverfahren zu Tragen kommen, mit welchem mit der Vermögensverwertung begonnen wird. Binnen fünf Jahren soll der Schuldner sich um ein Einkommen bemühen und in dieser Zeit den pfändbaren Teil seiner Einnahmen den Gläubigern zur Verfügung stellen. Wenn der Schuldner sich an die vereinbarten Zahlungen hält, so kann dieser nach fünf Jahren schuldenfrei werden. Die Restschuldbefreiung wird ohne Zustimmung der Gläubiger gewährt.

 

- Quellen:

1) Regierung des Fürstentums Liechtenstein >Medienmitteilung
2) Dr. Franz Mohr, Insolvenzrechtsexperte >Fachbeitrag Wirtschaftregional
3) Mag. Tijana Braubach, LL.M. >Blog RAe Ospelt & Partner

- Gesetzestexte:

  • Das Insolvenzverfahren, LGBl 1973.045.002, aktuelle Fassung >Insolvenzordnung; IO
  • Gesetz über die Abänderung der Konkursordnung, LGBl 2020 Nr. 365, mit den Bestimmungen zu der Insolvenz von Privatpersonen, Art. 128 - 163, gültig ab >01.01.2022